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Mein Se­mes­ter in In­di­en: Er­war­tun­gen vs. Rea­li­tät

Hohes Lernpensum? Leckeres Essen? Kulturelle Vielfalt? – Wie stellt ihr euch das Leben als Austauschstudent:in in Indien vor? In diesem Blogeintrag erzähle ich, welche Erwartungen ich an Neu-Delhi hatte, ob sie bestätigt wurden, und was mich wirklich überrascht hat.

Paula trägt traditionelle indische Kleidung.
Ich bin in erster Linie zum Studieren nach Indien gekommen, habe aber auch eine faszinierende Kultur kennengelernt. Auf diesem Foto trage ich eine traditionelle Kurta. (Foto: privat)

Meine Entscheidung für das Auslandssemester war größtenteils durch mein Studienfach bestimmt: Ich studiere Kunstgeschichte und wollte an die Jawaharlal Nehru University (JNU) gehen, weil es dort ein sehr renommiertes Institut gibt. Zusätzlich war ich durch eine meiner Hausarbeiten sehr interessiert daran, mehr über die Kunstwelt in Indien zu erfahren. Meine Erwartungen waren also eher fachlicher Art. Dadurch bin ich dem Land gegenüber sehr offen in das Semester gegangen. Natürlich hat man trotzdem gewisse Vorstellungen – die in manchen Fällen bestätigt und in anderen widerlegt werden. Hier kommt meine 'Auswertung'!

Studieren in Indien

Als ich mich auf das Auslandssemester vorbereitet habe, habe ich strategisch beschlossen, weniger Kurse als sonst zu belegen, da ich neben der Uni viel reisen und das Land kennenlernen wollte. Das war aus noch einem weiteren Grund eine unglaublich gute Entscheidung: Die Kurse an der JNU verlangen ein wesentlich höheres Arbeitspensum als ich und meine internationalen Kommiliton:innen es gewohnt waren. An meinem Institut heißt das, dass ich pro Kurs mehrere Präsentationen, eine mid-term-Klausur, eine Hausarbeit und eine finale Klausur abgeben musste – und das alles während des Semesters. Glücklicherweise gibt es hier auch die Option, Kurse ohne Prüfungsleistungen zu besuchen und sie trotzdem (ohne Credits) ins Transkript eintragen zu lassen. Ich habe nur einen Kurs mit Prüfungen und noch zwei ohne belegt. Dadurch konnte ich während meines Semesters doch auch außerhalb der Uni Indien erkunden.

Streetfood in Neu-Delhi. (Foto: privat)
Streetfood findet man in Neu-Delhi an allen Ecken. (Foto: privat)

Indisches Essen genießen

Das Essen entspricht genau dem, was ich mir von einem Semester in Indien erhofft hatte. Auf dem Campus gibt es fast ausschließlich indische Küche, sodass man sich durch alle regionalen Spezialitäten - wie zum Beispiel momos, dosa und paratha - durchprobieren kann. Auch Street Food enttäuscht nicht. Dabei sollte man sich an gekochtes oder gebratenes halten; also auch kein rohes Gemüse, das im schlimmsten Fall nur kurz unter Leitungswasser abgespült wurde. Trotz jeder Vorsicht sind Magenverstimmungen hier unvermeidlich und gehören zum Auslandssemester dazu. Dafür gibt es zum Glück eine Arztpraxis und eine Apotheke auf dem Campus, die einen mit Elektrolyten und Antibiotika versorgen können. So kann man schnell wieder viele neue indische Gerichte genießen!

Dahi Puri mit Kartoffeln, Kichererbsen, Joghurt und Granatapfel.
Lecker: Dahi Puri mit Kartoffeln, Kichererbsen, Joghurt und Granatapfel. (Foto: privat)

Als Frau in Indien unterwegs sein

Dass Neu-Delhi für Frauen eine gefährliche Stadt ist, war mir bereits vor meinem Auslandssemester bewusst. Allerdings war ich doch nicht ganz darauf vorbereitet, was es bedeutet, in einer entschieden patriarchalen Gesellschaft unterwegs zu sein. Stell dir vor, du stehst auf einer Straße, guckst dich um, und du siehst nur Männer. Dann gehst du in ein Geschäft und immernoch ist jeder einzelne Mensch ein Mann. Das ist in Indien ganz normal und als Frau fühlt man sich durch intensive Blicke schnell fehl am Platz. Der JNU-Campus ist zum Glück sehr sicher, aber auch hier ist das öffentliche Leben durch Männer dominiert. Man wird sehr häufig angesprochen und es ist wichtig, verbale Grenzen zu setzen. So kann man sich schützen und ein wichtiges Stück Selbstbestimmung behalten.

Land der Diversität?

Indien ist tatsächlich ein sehr diverses Land. Es gibt hunderte Sprachen und Stämme und die Kulturen und Traditionen der verschiedenen Bundesstaaten sind eigen und werden aktiv aufrechterhalten und ausgelebt. Allerdings ist Indien nicht sehr international, was wahrscheinlich daran liegt, dass es sehr schwer ist, als Ausländer:in hier zu leben. Zum Beipiel hat man zu vielen Dingen, wie Accounts für Online-Bezahldienste über die hier die meisten Transaktionen laufen, oder auch zu Sim-Karten nur zugriff, wenn man indische:r Staatsbürger:in ist. Dadurch sind die Menschen hier nicht besonders an andere Kulturen gewöhnt, es ist dafür aber auch sehr viel leichter, selbst in die indische Kultur einzutauchen.

Taj-Mahal
Die indischen Bundesstaaten pflegen ihre Traditionen. Hier sieht man die Stadt Agra im Staat Uttar Pradesh - dank Taj Mahal in der Ferne unverkennbar. (Foto: privat)

Erwarung vs. Realität - mein Fazit

Alles in allem ist Indien wie ich es mir vorgestellt habe – die guten wie die schlechten Seiten. Die Studierenden hier sind wahnsinnig offen und warmherzig, es gibt viel leckeres und scharfes Essen, die Kultur ist laut und unglaublich energiegeladen. Neu-Delhi ist selbst für Inder:innen eine taffe Stadt. Man lernt hier, für sich selbst einzustehen und aus sich rauszukommen. An der JNU ist man dafür an einer der besten Universitäten des Landes: Vor Beginn meines Auslandssemesters hatte ich vor allem gehofft, in Kursen mit intelligenten, leidenschaftlichen, kritischen und kreativen Studierenden zu sitzen. Hier hat die Realität hat meine Erwartungen mehr als übertroffen.

(Veröffentlicht: 08.01.2024)

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