International

Stu­die­ren oh­ne Strom - aber mit ubu­ntu!

Seit 2007 schaltet Südafrika regelmäßig den Strom ab, was als "load shedding" bezeichnet wird. Hier erzähle ich euch, was es für eine:n Austauschstudierende:n bedeutet, vom Internet abgeschnitten zu sein - und wie hilfreich das afrikanische ubuntu-Konzept ist.

Offene Bücher.
Lernen im schein einer modernen Kerze. (Foto: privat)

Dieses Semester ist nicht mein erstes in Südafrika. Ich war schon einmal als Austauschstudentin hier und war mir sicher, dass ich auf alle Herausforderungen, die während meines Aufenthalts an der University of Pretoria (UP) auftreten könnten, gut vorbereitet bin. Ich hatte von Stromausfällen gehört, da sich meine südafrikanischen Freund*innen in den sozialen Medien darüber beklagt hatten. Ich hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass der Strom so häufig wegsein würde. Wie sich herausstellt, lag ich damit ganz schön daneben...

Akku leer!

An meinem ersten Tag in Pretoria traf mich das sogenannte load shedding bereits heftig. Als ich nach meinem Nachtflug aus Europa im Wohnheim ankam, schloss ich direkt mein Handy zum Laden an und ging erstmal duschen. Wie überrascht war ich, als ich in mein Zimmer zurückkam und feststellte, dass der Akku immer noch bei fünf Prozent stand! "Oh! Der Adapter funktioniert nicht", war mein erster Gedanke (nach SA sollte man immer Adapter mitbringen - die Stecker hier sind anders als in Deutschland). Ich merkte jedoch bald, dass der Adapter nicht das Problem war.

Bei der Wohnheimverwaltung sagte man mir, dass ich keinen Campusplan bekommen könne: "Der Drucker geht nicht – load shedding!". Schade, denn der Plan war online nirgends zu finden und ich musste ziemlich dringend zur Abteilung Internationales, um die nötigen Formalitäten zu erledigen. Auf mein Telefon konnte ich mich nicht verlassen, da der Akku jeden Moment leer sein würde (ich hatte natürlich nicht daran gedacht, vor meiner Abreise nach SA eine Powerbank zu kaufen). Die Wohnheimleitung war jedoch sehr nett und beschrieb mir den Weg zum Hauptcampus. Die Pförtner dort sollten mich weiterleiten.

Eine kurze Erläuterung: Der UP-Campus funktioniert anders als die meisten Einrichtungen der HU, die frei zugänglich sind. Um hier auf den Campus zu gelangen, benötigt man einen Studierendenausweis, der erst nach der Einschreibung ausgestellt wird. Die Karte muss jedes Mal, wenn man den Campus betreten möchte, am Tor vorgelegt werden. Der Ausweis wird auch für den Zugang zu den Studierendenwohnheimen der UP benötigt. Deshalb war es für mich so wichtig, bereits am ersten Tag einen Studentenausweis zu bekommen.

Ubuntu in Aktion

Als ich am Campus-Tor ankam, fragte ich die Wachleute nach dem Weg zum International Office. Sie hatten keine Ahnung und wiesen mir statt dessen den Weg zu einem der Wohnheime und empfahlen mir, dort zu fragen. Und hier kommen wir zur afrikanischen ubuntu-Konzept. Ubuntu, Nguni für "Menschlichkeit", kann als eine Philosophie erklärt werden, die auf der Aussage "Ich bin, weil wir sind" beruht. In der Praxis bezieht es sich auf ein Verhalten, das der Gemeinschaft zugutekommt. Schon an meinem ersten Tag als Austauschstudentin in Pretoria hatte ich Gelegenheit, die praktische Umsetzung von ubuntu zu erleben - und das mehr als einmal.

Im Wohnheim, zu der mich die Pförtner geschickt hatten, fragte ich eine Gruppe von drei Studierenden nach dem Weg zur internationalen Abteilung. Sie wussten auch nicht, wo die ist, also bedankte ich mich und wollte schon weggehen. Aber eine der Studentinnen hielt mich auf. Sie rief eine Person an, die für die Universitätsverwaltung arbeitet, und reichte mir das Telefon. Die Person, mit der ich am Telefon sprach, erklärte mir Schritt für Schritt, was ich tun sollte, um mich zu registrieren und den Studierendenausweis zu erhalten. Ich bedankte mich und gab das Telefon zurück. Als die drei Student:innen hörten, dass es mein erster Tag an der UP war, begleiteten sie mich zum International Office. Sie gaben mir auch ihre Telefonnummern und ermutigten mich, sie zu kontaktieren, falls ich Hilfe benötigen sollte.

Nachdem ich es von der Abteilung für Internationales zum Immatrikulationsbüro geschafft hatte, sollte ich dort noch ein paar Angaben machen, auf die man über das Studierendenkonto zugreifen kann. Das wäre überhaupt kein Problem gewesen, wenn mein Telefon nicht ein paar Minuten zuvor den Geist aufgegeben hätte. In dem Moment spürte ich Verzweiflung - ich war mir sicher, dass ich hier nicht weiterkommen würde. Doch dann bot mir eine Mitarbeiterin vom Immatrikulationsbüro ihren privaten Laptop an, um auf mein Studierendenkonto zuzugreifen und die geforderten Informationen zu übermitteln. Eine halbe Stunde später war ich eingeschrieben und stand in der Schlange für meinen neuen Studierendenausweis. Load shedding, dieses Mal steht es 1:0 für mich!

Eine andere Einstellung

Nichtsdestotrotz waren die nächsten Tage in SA von meiner ständigen Frustration über das dreimal täglich (ohne Ausnahme!) stattfindende load shedding geprägt, das jedes Mal mindestens zwei Stunden dauerte (an einem Tag waren es vier Stunden, also insgesamt 12). Wenn es keinen Strom gibt, bedeutet das nicht nur, dass es kein WiFi gibt, sondern auch keine Möglichkeit zu kochen, eine Tasse Tee zu machen, oder das Licht einzuschalten, da das Wohnheim, in dem die UP Austauschstudierende unterbringt, keinen Generator hat. Ich habe begonnen, mich darauf einzustellen und entsprechend zu planen. Wie man so schön sagt: "Wenn du die Situation nicht ändern kannst, ändere die Art und Weise, wie du darüber denkst." Mehr über meine Bewältigungsstrategien erfahrt ihr in meinem nächsten Blogeintrag!

(Veröffentlicht: 17.04.2023)

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