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Stu­die­ren und Rei­sen - wie ich bei­des hin­be­kom­men ha­be

Studieren in Tel Aviv ist anders als in Berlin. In diesem Blog-Eintrag geht es um Überraschungen und Herausforderungen, denen ich begegnet bin, während ich versucht habe, alles zu schaffen: die Prüfungsvorbereitung und Reisen durch Israel.

Selfie von Dafne mit ihren Freunden beim Essen.
(Foto: privat)

Eine etwas andere Uni-Erfahrung

Das Studi-Leben an der Universität Tel Aviv (TAU) unterscheidet sich deutlich von dem an der HU. Einer der auffälligsten Unterschiede ist das Durchschnittsalter der Studierenden: Nach der Sekundarschule müssen die meisten Israelis zur Armee; und nach dem Dienst (für Männer dauert er drei, für Frauen zwei Jahre), verbringen sie meistens noch ein Jahr mit Reisen auf anderen Kontinenten. Daher beginnen Israelis im Vergleich zu Deutschen in der Regel recht spät mit ihrem Bachelor-Studium. Es ist auch normal, junge Menschen in Uniform im ganzen Land zu sehen, manchmal sogar auf dem Campus der TAU - zum Beispiel, wenn sie dort das Museum des jüdischen Volkes besuchen.

Zweitens haben die Studierenden der TAU in der Regel mehr Lehrveranstaltungen während des Semesters als wir in Berlin. Obwohl die Seminare und Vorlesungen genauso oft stattfinden und lang sind (einmal pro Woche zwischen eineinhalb und drei Stunden), sind die Kurse an der TAU weniger Leistungspunkte wert als an der HU. Daher muss man hier möglicherweise auch mehr Kurse belegen als sonst. Ich selbst habe fünf gewählt: eine Zahl, die es mir ermöglichte, in meinen Prüfungen gut abzuschneiden und mir auch Zeit ließ, das Land zu bereisen. Natürlich musste ich zwischen den einzelnen Kursen Aufsätze lesen, aber ich hatte Glück: Nur ein Professor ließ uns vor jeder Vorlesung drei lange Aufsätze durcharbeiten.

Studieren oder reisen?

Wenn man mich fragt, ist es bei einem Auslandssemester von zentraler Bedeutung, ein Gleichgewicht zwischen Studieren und Reisen zu finden. Es erfordert zusätzliche Anstrengung, in den Vorlesungen auf dem Laufenden zu bleiben und sich gleichzeitig mit anderen Strukturen und Methoden (und einer anderen Sprache!) zu konfrontieren; aber nur wenn man auch auf Entdeckungsreise geht, kann man die Geschichte eines Landes, die Schönheit seiner Kultur und den Reichtum seines sozialen Gefüges voll erfassen. Das trifft sicher auf jedes Land zu, und erst recht auf ein so komplexes wie Israel. Deshalb war es mir während meines Aufenthalts dort genauso wichtig zu reisen, wie meine Prüfungen zu bestehen. Das führte dazu, dass ich hauptsächlich unter der Woche gelernt habe, um an den Wochenenden Zeit für Ausflüge zu haben. Das Land ist so klein, dass man die wichtigsten Orte in wenigen Stunden erreichen kann – perfekt für Kurztrips mit Freund*innen. Manchmal habe ich mich auch von der Universität organisierten Reisen angeschlossen, zum Beispiel einer dreitägigen Tour in den Norden des Landes.

Ehrlich gesagt, haben mir aber meine Uni-Kurse auch Spaß gemacht. Die Themen waren interessant, und meine Professor:innen waren freundlich und bereit, die Studierenden zu unterstützen. Den meisten von ihnen konnte man das Bemühen anmerken, jede:n von uns persönlich kennenzulernen, anstatt nur Frontalunterricht zu machen. Zwei Kurse, die ich belegt habe, sind besonders erwähnenswert: Der erste Kurs über nachhaltige Stadtplanung vermittelte mir neue Erkenntnisse darüber, wie die Gestaltung einer Stadt zu neuen umweltfreundlichen Lebensstilen führen kann. Der zweite Kurs, der sich mit dem Leben von Jägern und Sammlern befasste, führte uns zum Volk der Nayaka in Indien. Der Professor, ein Anthropologe, der mehrere Jahre mit den Nayaka gelebt hatte, brachte uns diese Gruppe, ihre Konzepte und ihre Einstellung zu Pflanzen und Tieren näher. Ich habe mich jedes Mal auf den Kurs gefreut!

Die Prüfungszeit überleben

Und dann kam die Prüfungszeit. Für internationale Studierende ist das immer ein kleiner Schock. Im Idealfall sollte man alle Prüfungen noch im Lande absolvieren: So kann man schnell die Noten umrechnen und ins Transcript of Records eintragen lassen. Konkret bedeutet das allerdings, dass man in sehr kurzer Zeit eine Frist nach der anderen einhalten muss. Was mich betrifft, so hätte ich meine fünf Prüfungen eigentlich konzentriert in nur zwanzig Tagen ablegen müssen. Theoretisch wäre ein so straffer Zeitplan sehr gut gewesen: In weniger als einem Monat hätte ich möglicherweise alle meine Aufgaben an der Uni erledigen und mich danach entspannen können. Um aber bei der Wahrheit zu bleiben: Ich musste zwei Professor*innen um eine Verlängerung bitten, um "überleben" zu können.

Am Ende habe ich vielleicht etwas länger gebraucht, aber ich habe trotzdem alle Prüfungen bestanden und es geschafft, Israel von Akko (im Norden) bis Eilat (im äußersten Süden) mit meiner Familie zu bereisen, die mich kurz vor Ablauf meines Visums besuchte. Ich habe überlebt! Jetzt ist meine Zeit in Israel leider vorbei. Das Studium an der Universität Tel Aviv, der Besuch so vieler wichtiger Orte, die Begegnung mit Menschen, die andere Sprachen sprechen und andere Religionen praktizieren, war eine einzigartige Erfahrung: Ich habe wirklich das Gefühl, dass ich sehr gewachsen bin. Es kann ein mulmiges Gefühl sein, sein Heimatland zu verlassen, um im Ausland zu studieren; aber glaubt mir, ihr werdet es nie bereuen.

(Veröffentlicht: 06.03.2023)

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